Der Fachblog für CE-Kennzeichnung

Maschinensicherheit in den USA (2) - Produkthaftung und Arbeitsunfälle

Erstellt von Louis Guerrero am 15.03.24 12:32

Bevor eine Maschine in den USA in Betrieb genommen wird, wird sie von einer lokalen Behörde (Authorities Having Jurisdiction - AHJ) abgenommen. Wie strikt das erfolgt, hängt vom Standort ab: Es kann durchaus vorkommen, dass die Inspektion in ländlichen Gebieten nicht stattfindet, weil hier die Manpower für Kontrollen fehlt und die Wege weit sind. Die Behörden vertrauen dann darauf, dass der Betrieb schon das Richtige tun und sich an Gesetze und Regeln halten wird. Nun ist das nicht immer der Fall: Manche Unternehmen gehen sogar bewusst das Risiko ein, die Kosten für eine sichere Konstruktion und die dafür notwendigen Fachkräfte gegen mögliche Strafen bei mangelnder Sicherheit abzuwägen. Exporteure deutscher Maschinen in die USA sollten von so einem Vorgehen natürlich Abstand nehmen – aus moralischen Gründen und weil die unternehmerischen Risiken einfach zu hoch sind.

Arbeitsunfall: strenge Kontrollen, hohe Bußgelder, Schadensersatz

Die Bundesbehörde OSHA legt die Standards für sichere und gesunde Arbeitsbedingungen in den USA fest: Ihre Vorschriften regulieren auch die Sicherheit von Maschinen und Geräten am Arbeitsplatz. Die OSHA verlangt unter anderem eine Risikobewertung, die Schulung von Mitarbeitenden und den Einsatz von angemessenen Sicherheitsvorkehrungen.

Im Falle eines Arbeitsunfalls hoffen manche US-Unternehmen durchaus darauf, dass er so geringfügig ist, dass die OSHA davon nichts erfährt. Ein Arbeitsunfall mit schweren Verletzungen oder Todesfolge ruft die OSHA aber mit Sicherheit auf den Plan. Sie kann eine Untersuchung einleiten, um die Ursachen zu ermitteln: Und dabei wird natürlich geprüft, ob Sicherheitsvorschriften- und standards eingehalten wurden. Der Knackpunkt können auch ANSI-Standards sein: Auch, wenn deren Einhaltung eigentlich freiwillig ist – wurden sie nicht berücksichtigt, kann es hohe Strafen hageln. Das CE-Kennzeichen allein reicht nicht als Argumentationsgrundlage aus – der Betreiber der Maschine muss sich auf US-Standards beziehen.

Die OSHA schaut sich den Betrieb genau an – von der Baubeschaffenheit der Hallen bis hin zu den Parkplätzen. Sie kann die Anlage komplett schließen, wenn sie zur Einsicht kommt, dass sie nicht sicher ist („uninhabitable environment“), dem Arbeitgeber Auflagen machen, Bußgelder und andere Strafen verhängen. Das Unternehmen kann dann seinen Betrieb nicht wiederaufnehmen, keine Geschäfte mehr machen und muss mit steigenden Versicherungsbeiträgen rechnen. Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen schwer, das Ruder wieder herumzureißen.

Auch ohne Eigenverschulden können Unternehmen ins Visier der Behörde geraten: Wenn die OSHA wegen einer Beschwerde einen Nachbarbetrieb untersucht, dann den Kontrollbereich einfach ausweitet und auf einmal alle ansässigen Unternehmen in Augenschein nimmt.

Die Produkthaftung in den USA – auch für Maschinenhersteller

Kommt es zu einer schweren Verletzung oder sogar zu einer Todesfolge, bedeutet das für Unternehmen in der Regel hohe Ausgaben und Bußgelder. Für die Produkthaftung gilt in den USA das Prinzip der strikten Haftung („strict liability“): Das bedeutet, dass Hersteller für Schäden, die durch fehlerhafte oder gefährliche Produkte verursacht werden, haftbar gemacht werden können – unabhängig davon, ob sie nachweislich fahrlässig gehandelt haben oder nicht. Kläger müssen dann nicht nachweisen, dass der Hersteller einen Fehler begangen hat.

Kommt es zu einem Streitfall, wird das betroffene Produkt bzw. die Maschine bewertet: Kann ein Design- bzw. Entwurfsfehler, ein Herstellungsfehler oder eine fehlerhafte Warnung bzw. Instruktion festgestellt werden, gilt es als „fehlerhaft“.

  • Im ersten Fall weist das ursprüngliche Design Mängel auf, die das Produkt unsicher machen.

  • Im zweiten Fall wurde das Produkt nicht ordnungsgemäß hergestellt.

  • Im dritten Fall wird nicht angemessen auf bekannte Risiken hingewiesen oder die Warnungen sind unzureichend oder irreführend. Unzureichend ist eine Warnung dann, wenn eine Gefahr durch eine bessere Anleitung oder Instruktion hätte verringert oder vermieden werden können. Fehlen Warnhinweise, ist das Produkt per se fehlerhaft und seine Sicherheit nicht mehr garantiert.

In den USA sind diese Anleitungen und Warnhinweise sehr wichtig: Die Norm ANSI Z535.6 American National Standard for Product Safety Information in Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials beschreibt, wie der Inhalt von Warnungen aussehen muss, wo sie angebracht werden und wie sie aussehen sollen.

Maschinensicherheit in den USA - lieber gleich den Experten ranlassen

Bußgelder, Schadensersatz, eine stillgelegte Anlage und Reputationsschäden: Die Folgen von Arbeitsunfällen in den USA können für Hersteller immens sein, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten bei der Konstruktion nicht nachgekommen sind. Deswegen sollten sie gleich von Anfang an alles richtig machen und ihre Maschinen, die für die USA bestimmt sind, nach deren Regularien konstruieren und bauen. Wir von CE-CON unterstützen bei Fragen rund um die internationale Konformität.

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Themen: Arbeitssicherheit, Internationale Konformität

Maschinensicherheit in den USA (1) - Überblick im Behördendschungel

Erstellt von Louis Guerrero am 09.02.24 10:37

Die USA sind für europäische Maschinenhersteller ein interessanter Absatzmarkt. Doch vor dem Import stellen sich einige Fragen zur Maschinensicherheit: Wie ist sie in den USA geregelt? Welche Anforderungen müssen erfüllt sein? Wer nimmt die Maschine ab?

Im ersten Teil unserer Blog-Reihe zur Maschinensicherheit in den USA wenden wir uns den Regularien und Behörden zu.

CE-Kennzeichen für den Import von Maschinen in die USA

Das CE-Kennzeichen ist vorhanden und schon kann eine Maschine in die USA importiert werden? So leicht ist es leider nicht. Zwar ist das CE-Kennzeichen eine gute Grundlage, jedoch wird dieses in den USA nicht um die Maschinensicherheit auch in den USA erfüllen zu können. Es allein reicht aber nicht, da es nur innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), sowie den EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) anerkannt ist.

EU und USA handhaben Maschinensicherheit unterschiedlich: Während  Richtlinien und Normen der EU stark auf die elektrische Sicherheit fokussieren, sind in den USA die Anforderungen an den Brandschutz ungleich höher und komplexer. Hinzu kommen technisch bedingte Unterschiede: In Nordamerika gibt es zum Beispiel unterschiedliche Stromkreisarten und auch die Symbole sind nicht die gleichen. Davon abgesehen kann eine Maschine natürlich auch so gebaut werden, dass sie den Gesetzen und Anforderungen der EU und der USA entspricht.

Die Konformitätserklärung reicht nicht

Eine Konformitätserklärung seitens des Herstellers ist in den USA nicht vorgesehen. Stattdessen wird die Maschinensicherheit von Produktstandards, Brandschutzvorschriften, elektrischen Codes und nationalen Gesetzen geregelt, ein Konglomerat aus Normen, Richtlinien und Vorschriften. Die Einhaltung der Regularien wird von Bundes-, Landes- und /oder Kommunalbehörden überprüft: Vor der Inbetriebnahme inspiziert eine lokale Behörde, Authorities Having Jurisdiction (AHJ), die Maschine und gibt sie frei.

Folgende Organisation regeln die Maschinensicherheit in den USA:

·      Occupational Safety & Health Administration (OSHA)

·      American National Standards Institute (ANSI)

·      Underwriters Laboratories (UL)

·      National Fire Protection Association (NFPA) 


Occupational Safety & Health Administration (OSHA) für den Arbeitsschutz

Die OSHA ist eine Agentur des US-Arbeitsministeriums. Ihr Arbeitsschutzgesetz (OSHA Act) verpflichtet Arbeitgeber dazu, einen sicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten; seine Generalklausel bestimmt, dass am Arbeitsplatz keine gravierenden Gefahren auftreten dürfen. Dafür legt die OSHA Normen fest, die eingehalten werden müssen: Die Richtlinien für die Arbeitssicherheit definiert zum Beispiel der Occupational Safety and Health Standard OSHA 29 CFR1910. Er ist damit auch Teil des Standards für Maschinen in den USA.

OSHA-Vorschriften sind mit europäischen Richtlinien vergleichbar, allerdings gehen sie mehr ins Detail, und formulieren konkrete, spezifische und vorgeschriebene technische Anforderungen, wie Normen, während europäische Richtlinien in der Regel abstrakter formuliert sind. Ein weiterer Unterschied besteht im Adressaten: EU-Richtlinien sind in erster Linie für Hersteller von Maschinen gedacht, OSHA-Normen richten sich an alle Beteiligten: Hersteller, Erbauer, Betreiber und somit auch die Arbeitgeber bzw. das Management.

In den meisten US-Staaten regeln die OSHA-Vorschriften Arbeitssicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Es gibt aber auch Bundesstaaten, die eigene Normen erlassen – teilweise auch zu Gefährdungen, die von den OSHA Standards nicht abgedeckt werden. Die OSHA schreibt ebenfalls vor, dass, sollten Staaten eigene Standards definieren, diese mindestens so effektiv wie die national gültigen Normen sein müssen.

American National Standards Institute (ANSI) für freiwillige Industriestandards

Zu den verpflichtenden OSHA-Vorschriftenkommen Arbeitssicherheits-Standards hinzu, die mit freiwilligen Industriestandards vergleichbar sind. Diese werden vom American National Standards Institute (ANSI) formuliert und koordiniert, einer privaten Organisation. ANSI-Normen können allerdings verpflichtend sein, wenn sie Teil eines Vertrags sind. Oft basiert eine verpflichtende OSHA-Norm auf einer alten ANSI-Norm.

Underwriters Laboratories (UL) – Normen für elektrische Komponenten

Underwriters Laboratories ist eine private Organisation, die Sicherheitsnormen für elektrische Geräte und Komponenten herausgibt – ihr Fokus liegt auf der Abwehr von Bränden und Stromschlägen. Eine typische UL-Norm ist die UL 508A für industrielle Steuerschränke. Hier ist der Knackpunkt, dass sich UL-Normen stark von internationalen IEC-Normen (International Electrotechnical Commission) und europäischen EN-Normen unterscheiden können. Teilweise sind sie sogar widersprüchlich. Manche UL-Normen gibt es auch als ANSI-Normen, da sie bei der ANSI eingereicht wurden.

National Fire Protection Association (NFPA) - Brandschutz und NEC

Die National Fire Protection Association ist eine gemeinnützige Organisation, die den National Electrical Code (NEC) als ANSI/NFPA 70 herausgibt. Der NEC definiert die Standards für die sichere Installation elektrischer Leitungen, um Brände und elektrische Unfälle zu verhindern. Der ANSI/NFPA 79 Standard, ebenfalls von der NFPA veröffentlicht, ist der elektrische Standard für industrielle Maschinen und ist mit der EN/IEC 60204-1 Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstungen von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen vergleichbar. Zwar ist seine Einhaltung eigentlich freiwillig, manche Bundesstaaten und Behörden fordern ihn aber ein.

Nationally Recognized Testing Laboratories (NTRL) – die akkreditierten Prüflabore

Staatlich anerkannte Prüflabore, die Nationally Recognized Testing Laboratories (NRTL), stellen Zertifizierungen für die Einhaltung von OSHA,- ANSI,- und UL-Anforderungen und Normen aus. Die OSHA veröffentlicht Listen mit jenen Prüfstellen, die akkreditiert sind – dazu zählen auch deutsche Organisationen wie dem TÜV Rheinland oder TÜV SÜD.

Eine Maschine gilt zum Beispiel nur dann als sicher, wenn ihr ein NRTL ein Prüfzeichen ausstellt. Auch UL-Anforderungen werden überprüft; ein Prüfzeichen bestätigt die Einhaltung von UL-Normen. Die OSHA fordert dies sogar für fast alle elektrischen Geräte und Kabel an Arbeitsplätzen. UL-Zertifizierungen sind zudem für die lokale Abnahme von Maschinen von Bedeutung: Inspektoren orientieren sich an ihnen im Bereich der Elektrotechnik, Maschinen ohne Prüfzeichen werden in der Regel nicht abgenommen.

Maschinensicherheit: So greifen die Regelungen der US-Behörden ineinander

Die OSHA reguliert den Produktionsstandort und/oder die Fabrikhalle, ANSI unterstützt bei Treppen, Plattformen und Strukturen. UL sind für Komponenten, Motorsteuerungen, Förderbänder oder Formpressmaschinen zuständig. UL formuliert auch die Norm für die Feuerbeständigkeit von Materialien wie Dachziegeln und Isolationsarten. Der National Electrical Code wiederum regelt die elektrische Sicherheit der Installation und Verkabelung der Komponenten.

Beispiel: An einem Förderband werden die Steckverbinder, die Kabel für die Steuerung, die Stromversorgung und die Benutzeroberfläche mit Touchscreen durch eine UL-Norm geregelt. Die Konstruktion muss auch den OSHA/ANSI-Normen entsprechen. Die ANSI-Vorschriften werden auch bei der Montage durch das Bedienpersonal angewendet. OSHA schreibt auch ANSI-Sicherheitsmaßnahmen wie Treppen, Geländer und Fallschutzsysteme vor.

Maschinensicherheit in den USA einfach umsetzen – mit CE-CON

Welche Vorschriften und Richtlinien gelten nun für mein Produkt? Brauche ich das Prüfzeichen eines NTRL und wenn ja von welchem? Für diese Fragen stehen wir gern zur Verfügung: CE-CON ist Experte für internationale Konformität mit einer Niederlassung in den USA. Wir beraten und unterstützen bei Fragen zur Maschinensicherheit und zur Konformität in den USA, aber auch für Kanada und Teile von Mittel- und Südamerika.

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Themen: Arbeitssicherheit, CE-Kennzeichnung, EG-Konformitätserklärung, Maschinenrichtlinie, Richtlinien und Normen, Internationale Konformität

Fallstricke für Maschinenbauer - Aspekte der EU-Regulatorien für die Maschinensicherheit

Erstellt von Kevin Olleroch am 13.07.21 10:54

Auch im Maschinenbau hat die Corona-Pandemie zu einer Sensibilisierung für die Gesundheit, in diesem Fall den Arbeitsschutz, geführt. Damit ist ein Thema in den Fokus gerückt, das zuvor gerne vernachlässigt wurde. Die Regulatorien der EU werfen allerdings einige Fragen auf und bergen wirtschaftliche Risiken für Maschinenbauer.

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Themen: Maschinenrichtlinie, Internationale Konformität

UKCA oder CE? - Brexit-Update für die Konformitätsbewertung

Erstellt von Laura Heissenbüttel am 25.02.21 09:30

Jetzt ist es soweit: Großbritannien (England, Schottland und Wales) ist seit dem 1. Januar 2021 kein Teil der Europäischen Union mehr. Der Austritt hat natürlich auch Auswirkungen auf den Warenverkehr zwischen GB und der EU. Neben eigenen „UK designated standards“ als Ersatz für die europäischen Normen und Standards in Großbritannien, wird auch das CE-Kennzeichen ersetzt und durch das UKCA Label abgelöst.

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Themen: Richtlinien und Normen, Internationale Konformität

CE oder UKCA – Der Brexit und seine Folgen für die Konformitätsbewertung

Erstellt von Laura Heissenbüttel am 14.10.19 09:56

Nach aktuellem Stand wird das Vereinigte Königreich die Europäische Union am 31.10.2019 verlassen. Sollte es zu keiner Einigung für ein geregeltes Ausscheiden Großbritanniens aus der EU kommen, so würde es zukünftig als Drittstaat auftreten. Aktuell ist aber auch ein geregelter Austritt denkbar, sodass zwei Szenarien in der Zukunft möglich sind.

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Themen: EG-Konformitätserklärung, Internationale Konformität

Der US-Markt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!

Erstellt von Lucia Gefken am 14.05.19 11:49

Warum es für den US-Markt nicht reicht eine deutsche Anleitung ins Englische zu übersetzen, erklärte der Rechtsanwalt und Diplom-Ingenieur Dr. Mathew Kundinger bei seinem Seminar US- Produkthaftung: Leben mit „Punkt Sechs“. Hier ein persönlicher Rückblick auf zwei lehrreiche Tage in Würzburg.

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Themen: Maschinenrichtlinie, Technische Dokumentation, Richtlinien und Normen, Internationale Konformität

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