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Fallstricke für Maschinenbauer - Aspekte der EU-Regulatorien für die Maschinensicherheit

Erstellt von Kevin Olleroch am 13.07.21 10:54

Auch im Maschinenbau hat die Corona-Pandemie zu einer Sensibilisierung für die Gesundheit, in diesem Fall den Arbeitsschutz, geführt. Damit ist ein Thema in den Fokus gerückt, das zuvor gerne vernachlässigt wurde. Die Regulatorien der EU werfen allerdings einige Fragen auf und bergen wirtschaftliche Risiken für Maschinenbauer.

Europa-01Im Maschinenbau hat eine Transformation von der Mechanik hin zur Elektrotechnik stattgefunden. Wertschöpfung wird nun mit Software erzielt und Maschinenbauer sehen sich mit der Wechselwirkung von kaufmännischen, versicherungsrechtlichen, steuerlichen und juristischen Themen konfrontiert. Sie spüren allmählich, dass das Marktumfeld über rein technische bzw. funktionale Dinge hinausgeht: Richtlinien und Verordnungen der EU sowie der nationalen Gesetzgebung weiten sich zunehmend auf verschiedene Unternehmensbereiche, den gesamten Betriebsumlauf und auf alle Abteilungen aus – mit entsprechenden Auswirkungen zum Beispiel auf den Vertrieb, das Projektmanagement, die Entwicklung und Konstruktion, den Einkauf, die Fertigung sowie Montage und Service.

Anfang 2019 wurde zum Beispiel ein siebenstelliges Projekt im Maschinenbau zu 96 Prozent rückabgewickelt, weil die Betriebsanleitung nicht wie vom Gesetzgeber vorgesehen aussah. Der Ausgangspunkt dafür war ein Streit zwischen Kunde und Hersteller. Der Kunde suchte einen Grund für die Rückabwicklung und fand ihn in der fehlerhaften Betriebsanleitung. CE-CON begegnet das in der Praxis immer wieder. Die Betriebsanleitung ist aber Teil des Sicherheitskonzepts einer Maschine; ist sie fehlerhaft oder nicht vorhanden, gilt die Maschine als nicht sicher und der Hersteller ist haftbar. Ideal ist eine Betriebsanleitung aus einem Guss und beinhaltet alle relevanten Aspekte für den normalen Gebrauch, aber auch Wartung und Service.

Gesetzgebung mit langer, unübersichtlicher Geschichte

Richtlinien_Recherche_Folie_11Mit der Maschinenrichtlinie verfolgt die EU die Harmonisierung des Binnenmarkts und der Sicherheit für Bediener. Sie wurde in Deutschland in die bestehende nationale Gesetzgebung über die neunte Verordnung des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) überführt. Das Problem für Maschinenbauer: Die EU ist langsam gewachsen. Damit stammen Regelwerke aus unterschiedlichen Zeiten, verfasst von unterschiedlichen Protagonisten, was zu Widersprüchen führt. Ihre Formulierung lässt Spielraum für Interpretationen, nutzt nicht definierte Begriffe und ist schwer zu deuten. Maschinenbauer sollten deswegen im Gespräch mit dem Verband, externen Experten oder anderen Unternehmen deren Auslegung klären. Aktuell befindet sich eine neue Maschinenrichtlinie in der Entwicklung. Aspekte wie die wesentliche Änderung bei Retrofits oder Emissionen sollen dabei vermehrt berücksichtigt werden. Es ist zudem damit zu rechnen, dass mit den Neuerungen die meisten Richtlinien in Verordnungen übergehen werden, was sofortigen Handlungsbedarf nach sich zieht.

Haftungsverlagerung hin zum Hersteller

Insgesamt findet eine Haftungsverlagerung hin zum Hersteller statt. Er sieht sich drei Risiken ausgesetzt: Der Marktaufsicht bei Unfällen und staatsanwaltlichen Ermittlungen sowie dem Wettbewerb, der einstweilige Verfügungen erwirken kann. Das größte Risiko liegt allerdings bei Kunden, Betreibern und Anwendern. Denn diese geraten selbst durch wachsende Arbeitsschutzauflagen unter Druck und versuchen möglichst viel Verantwortung an den Hersteller zu übertragen.

Die Inbetriebnahme einer Maschine ist hier ein zentraler Moment, da die Verantwortlichkeiten vom Hersteller auf den Betreiber übergehen. Maschinenbauer sollten auf eine wie im Auftrag festgelegte Inbetriebnahme Wert legen: Ist die Maschine noch nicht fertig, kann sie nicht sicher betrieben werden – das steht dem Wunsch des Betreibers, die Maschine schnell zu testen, oft im Weg. Hilfreich ist hier, das verfrühte Einschalten technisch zu verhindern.

Unklarheiten in der Frage der Verantwortlichkeit verursachen auch Umbauten. Kommt es zu wesentlichen Änderungen oder neuen Gesamtheiten, wird das Prozedere wie bei einer neuen, vollständigen Maschine fällig und damit die erneute Ausstellung des CE-Kennzeichens und des Konformitätsbewertungsverfahrens. Hier entstehen schnell wirtschaftliche Totalausfälle - Maschinenbauer sollten sich deshalb genau überlegen, ob sie ein solches Angebot der Nachrüstung annehmen. Der Gesetzgeber will Altanlagen aus dem Markt drücken und macht die Nachrüstung von Altanlagen über Instrumente wie Verordnungen unattraktiv.

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Themen: Maschinenrichtlinie, Internationale Konformität

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