Der Fachblog für CE-Kennzeichnung

Erster Blick der Technischen Redaktion in die neue Maschinenverordnung

Erstellt von Lucia Gefken am 06.08.23 18:48

Die neue Maschinenverordnung ist frisch veröffentlicht und somit etwas früher als gedacht in aller Munde. Gerade in Bezug auf die Betriebsanleitungen bringt sie ein paar gewünschte Änderungen. Ich schmeiße meine Glaskugel an und schaue, wie sich der aktuelle Stand auf unsere Betriebsanleitungen auswirken könnte. Bringt die Verordnung endlich den gewünschten Kick in eine moderne Ära der Dokumentation oder bleibt der Betriebsanleitung weiterhin ein verstaubtes Image anhaften?

 

Wann kommt die neue Maschinenverordnung?

Nach einigem Hin und Her wurde die Maschinenverordnung Ende Juli veröffentlicht. Nach Veröffentlichung streichen 20 Tage ins Land und ab dann tritt die Maschinenverordnung in Kraft. Können wir also bereits in unserem Sommerurlaub cocktailschlürfend die Änderungen mit unserer Technischen Redaktion besprechen und anschließend umsetzen? Wohl kaum. Denn wir sprechen hier von einer „Stichtagsregelung“, die besagt, dass die Maschinenverordnung erst 42 Monate nach Inkrafttreten gültig ist. Ich habe nachgerechnet: Erst 3,5 Jahre später, in ferner Zukunft also. Bis dahin gilt – und dort positionieren sich die bekannten Verbände ziemlich eindeutig – die Maschinenrichtlinie, wie wir sie kennen und lieben. Wenn ich also im Jahr 2026 eine Konformitätserklärung für meine Maschine ausstellen möchte, muss ich dies FORMALJURISTISCH noch im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG machen. Das überbetonte Wort im letzten Satz sollten wir uns merken. Könnte es am Ende bedeuten, dass vielleicht doch schon eher die Maschinenverordnung akzeptiert wird? Im Internet finden sich zu dem Thema „Zeitpunkt der Umsetzung“ übrigens zahlreiche unterschiedliche Meinungen und Beiträge. Ich hoffe, dieser kann weiter zur allgemeinen Verwirrung beitragen.

Wer jedoch lange Konstruktionszeiten hat, zum Beispiel vier Jahre, der sollte die Anforderungen der Maschinenverordnung besser direkt beachten und umsetzen. Denn nach dem Stichtag sind diese wiederum ein MUSS für alle Maschinenhersteller und Produkte, die unter die Maschinenverordnung fallen.

 

Betriebsanleitung nach neuer Maschinenverordnung: total digital – oder?

2027: in dem Jahr wird meine jüngere Tochter, derzeit noch Kindergartenkind, die Grundschule beenden. Sie wird in der Zeit Lesen, Schreiben und Englisch lernen, sich mit derben Schimpfwörtern und Bruchrechnung auseinandersetzen und ihre erste lange Klassenfahrt machen. Doch nicht nur sie wird sich weiterentwickeln. Auch die Technik macht bis dahin weitere große Sprünge. Wir gehen neue digitale Wege. Und ab 2027 endlich auch unsere Betriebsanleitung. Die Maschinenverordnung erlaubt nach vielen Jahren voller Streit, Bandscheibenvorfällen und abgeholzten Wäldern Anleitungen in digitaler Form. Ich höre den Jubelschrei aller Hersteller und Technischer Redakteurinnen bis hier. Endlich können wir unsere komplizierten Maschinen mittels Videos und Animationen erklären, können unsere Informationen zielgruppen- und situationsgerecht in kleinen Häppchen zur Verfügung stellen und dabei sowohl die Umwelt schonen als auch Druckkosten sparen. Keine dicken Aktenordner mehr, kein vergilbtes Papier in loser Sammlung, weniger Gejammere auf allen Seiten.

 

Das dicke ABER - die “ausdruckbare”, digitale Betriebsanleitung

Ich möchte eure Freude ungern schmälern, doch als waschechte Spielverderberin mache ich nun auf das Kleingedruckte aufmerksam. Denn der Kunde entscheidet, ob ihr die Anleitung digital oder in Papierform liefern müsst. Falls der Kunde sich zum Zeitpunkt des Kaufes für die gedruckte Anleitung entscheidet, müssen wir ihm diese innerhalb eines Monats zur Verfügung stellen. „Wird nicht oft vorkommen“, mag sich der eine oder andere jetzt denken und weiter an digitalen Lösungen für seine Anleitungen arbeiten. Für diesen Fall habe ich eine weitere Einschränkung mitgebracht: Auch die digitale Betriebsanleitung muss „ausdruckbar“ sein. Na? Schwierigkeitsstufe erhöht? Ich bin gespannt auf die pfiffigen Lösungen. Wir haben ja noch ein paar Jahre Zeit.

 

Kurz und gut? Die Regelung für Kurzanleitungen

Ich setze noch eins drauf: Für B2C-Produkte muss laut Verordnung IMMER eine Kurzanleitung mit sicherheitsrelevanten Infos für den Betrieb in gedruckter Form mitgegeben werden. Damit entfachen wir den altbekannten Streit über die Einordnung von „sicherheitsrelevanten Infos“. War das Thema bereits seit Jahren Anlass für heftige Diskussionen, dürfte diese Einschränkung für weiteren Wirbel unter den Technischen Redakteuren sorgen. Ich freue mich, der Job wird nie langweilig.

 

Nur das Original, das heißt die Originalbetriebsanleitung?

„Du hast den Zusatz „Original“ auf deiner Anleitung vergessen“ – wie oft habe ich diesen Satz in meinem Leben bereits gesagt und kam mir weitaus kleinkarierter vor, als ich bin. Ohne „Originalbetriebsanleitung“ ging im Maschinenbau nichts. Und wer die geforderten Sprachen lieferte, der kennzeichnete die Übersetzungen als „Übersetzung der Originalbetriebsanleitungen“. Das war eine Forderung aus der (noch immer gültigen und bis Anfang 2027 weiterhin anzuwendenden) Maschinenrichtlinie. Doch damit scheint (im Jahr 2027!) endlich Schluss zu sein. Die neue Maschinenverordnung spricht ausschließlich von der Betriebsanleitung. Kein „Original“ auf den mir vorliegenden 300 Seiten zu finden. Diese frohe Kunde kann ich uneingeschränkt verbreiten. Wir dürfen zukünftig nicht nur digitale, sondern auch zusatzfreie „Betriebsanleitungen“ liefern. Vielen Dank dafür.

 

Was tun? Die Zeichen der Maschinenverordnung stehen auf “digital”

Die Maschinenverordnung ist da. Wir müssen uns mit den Inhalten vertraut machen, Blogartikel und Infos aus zweiter Hand werden nicht ausreichen. Auf die Technische Dokumentation kommen neben den hier genannten Änderungen viele weitere Änderungen zu, welche wir gemeinsam mit euch weiter beleuchten. Entgegen den genannten Einschränkungen stehen alle Zeichen auf „digital“. Bereits jetzt bieten viele Hersteller gelungene digitale Anleitungen, die mittels Metadaten, iiRDS (intelligent information Request and Delivery Standard) und digitalem Typenschild fit für die Zukunft und absolut zielgruppengerecht aufbereitet sind. Wer rundum gut aufgestellt ist, der schreckt auch nicht vor der druckbaren Alternative zurück. Der Rest hat 42 Monate Zeit, sich den digitalen Möglichkeiten zu öffnen. Damit wir gemeinsam die verstaubte und ungeliebte Betriebsanleitung zu einem gern genutzten Informationsmittel machen.

 

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Themen: Maschinenrichtlinie, Technische Dokumentation, Digitalisierung

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