Der Fachblog für CE-Kennzeichnung

Gesamtheit von Maschinen - auf die Schnittstelle kommt es an!

Erstellt von Jörg Handwerk am 07.03.19 15:27

Werden mehrere Maschinen zusammen betrieben, sodass sie am Ende als Gesamtheit funktionieren, ist es besonders wichtig die Schnittstellen im Detail zu betrachtet zu haben. Das früher einmal als „Verkettung“ bezeichnete Zusammenfügen von Maschinen hat so seine Tücken. Dass sich die einzelnen Maschinen, oftmals geliefert von unterschiedlichen Herstellern aus aller Herren Länder, miteinander „unterhalten“ müssen, ist klar. Sonst kann eine gemeinsame Produktion der gewünschten Produkte nicht funktionieren. Was aber sonst alles zu berücksichtigen ist, wird oft unterschätzt.

Gesamtheit von Maschinen

Bereits seit dem Inkrafttreten der aktuellen Europäischen Maschinenrichtlinie Ende 2009, spricht man von einer Gesamtheit von Maschinen. Ob es sich um eine solche handelt, ist abhängig von den Schnittstellen zwischen den Einzelmaschinen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um sogenannte vollständige oder unvollständige Maschinen handelt. Sie müssen so angeordnet sein, zusammenwirken und betätigt werden, dass sie als Gesamtheit funktionieren. Ein detaillierter Blick auf die Schnittstellen zwischen den am Prozess beteiligten Maschinen gibt hier einen genaueren Einblick über die Gesamtheit. 

Kriterien von Gesamtheiten

Eine Grundvorraussetzung ist die räumliche Nähe zueinander, da sonst ein gemeinsames Ergebnis, wie zum Beispiel das Herstellen von auf Paletten gestapelten Kisten frisch abgefüllten Bieres, nicht möglich ist. Betrachtet man eine solche Abfüllanlage, so besteht diese aus diversen einzelnen Maschinen, die über Förderbänder miteinander verbunden sind. Nach der Leergutzuführung von neuen und gebrauchten Flaschen geht es nach dem Abkratzen alter Etiketten in die Waschmaschine, die nicht nur reinigt, sondern auch entkeimt. Von dort werden die Flaschen durchleuchtet und auf etwaige Reste überprüft. Es folgen Abfüller, Verschließmaschinen, Etikettierer und nicht zuletzt ein automatischer Packer, der die Flaschen in leere Getränkekisten steckt. Oftmals werden diese dann durch weitere Manipulatoren oder Roboter auf Paletten gestapelt und über Bodenfördertechnik abtransportiert.

Um zu überprüfen, ob es sich bei einer solchen Anlage nun um eine Gesamtheit handelt, müssen vier Aspekte erfüllt sein. Denn eine wie oben beschriebene Anlage ist nicht zwingend eine Gesamtheit, sie kann auch aus mehreren Gesamtheiten oder nur aus Einzelmaschinen bestehen. Aber der Reihe nach.

Das erste Kriterium prüft ob die einzelnen Einheiten so zusammengebaut sind, dass sie eine gemeinsame Aufgabe ausführen können. Als zweites müssen sie funktional miteinander verbunden sein. Dabei muss der Betrieb jeder einzelnen Einheit die Funktion anderer Einheiten beeinflussen. Ist das der Fall, so ist eine Beurteilung der daraus entstehenden Risiken notwendig. Das nächste Kriterium prüft, ob die zusammengebauten Einheiten über ein gemeinsames Steuerungssystem verfügen. Dies bedeutet nicht, dass die Gesamtheit über eine einzige Speicher programmierbare Steuerung (SPS) verfügen muss. Sie kann auch aus mehreren, aber untereinander kommunizierenden, Steuerungen bestehen. Als letztes Kriterium müssen die Einheiten über eine sicherheitstechnische Verbindung verfügen. Werden mehrere Einheiten so verbunden, dass sie beispielsweise von einem Schutzzaun umgeben sind, der über eine Zutrittstür verfügt, so muss der Sicherheitsschalter an der Tür Einfluss auf mehrere Einheiten haben.

Beispiel einer AnlageStehen jedoch mehrere Einheiten zusammen und werden sogar von einer Steuerung betrieben, haben aber keinerlei Einfluss aufeinander, so handelt es sich hier nicht um eine Gesamtheit. Jede Einheit erhält dann ihr eigenes CE-Kennzeichen.

Konformität für Gesamtheiten

Oftmals werden diverse Maschinen geordert und zusammengefügt. Dabei stellt sich die Frage, wer am Ende als Hersteller der Gesamtheit gilt. Ist keines der beteiligten Unternehmen, die einzelne Maschinen oder unvollständige Maschinen liefern, als Generalunternehmer (GU) für den Gesamtaufbau verantwortlich, so wird der Betreiber plötzlich zum Hersteller und muss das gesamte Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. Dies beinhaltet auch die Erstellung einer Risikobeurteilung und anderer Dokumente nach Anhang VII der Maschinenrichtlinie. Bei der Risikobeurteilung kommt es insbesondere auf die Schnittstellen zwischen den Gewerken an. Welchen Einfluss hat welche Maschine auf andere und wie werden daraus entstehende Gefährdungen abgesichert. Ein großes Augenmerk fällt auch auf die übergeordnete Betriebsanleitung, die Teile der Anleitungen aller an der Gesamtheit beteiligten Einzelmaschinen enthalten muss.

Die Maschinenrichtlinie ist anwendbar auf Maschinen, die erstmals in der EU in Verkehr und in Betrieb genommen werden. Bei der Herstellung einer Gesamtheit handelt es sich daher meist auch um erstmalig auf dem Markt bereitgestellte Maschinen, die dann jeweils für sich genommen eine eigene Konformitätserklärung bzw. Einbauerklärung der entsprechenden Hersteller besitzen. Für die Gesamt-CE ist dann der spätere Betreiber oder ein ggf. ernannter GU verantwortlich. Doch nicht nur neue Maschinen können zu Gesamtheiten zusammengebaut werden. Eine Gesamtheit kann auch aus diversen, bereits in Verkehr gebrachten oder auch aus neuen und gebrauchten Maschinen hergestellt werden. In diesem Fall behandelt man die Gesamtheit ebenfalls wie eine neue Maschine. Das wirft die Frage auf, ob für die alten Maschinen, die teilweise bereits vor dem Inkrafttreten der ersten Maschinenrichtlinie und somit ohne CE ausgeliefert wurden, nun die Konformität mit der Maschinenrichtlinie hergestellt werden muss. Die Antwort ist klar: Nein! Die Maschinenrichtlinie ist nur anwendbar, wenn es sich um erstmals bereitgestellte Maschinen handelt. Sind Maschinen einmal in Verkehr gebracht, so müssen sie der Richtlinie über die Verwendung von Arbeitsmitteln entsprechen und somit den Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen genügen.

Gesamt CE

Verändern von Gesamtheiten

Grundsätzlich muss zunächst untersucht werden, ob es sich bei der Veränderung um eine sog. wesentliche Veränderung handelt oder nicht. Handelt es sich um eine solche, so muss auch die Gesamtheit erneut dem Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen werden. Allerdings ist hier die Voraussetzung, dass die Gesamtheit der Maschinen derart durch die Veränderung beeinflusst wird, dass auch von den existierenden Einheiten neue Gefahren ausgehen. In diesem Fall ist die Gesamtheit inklusive aller beteiligten Einheiten zu betrachten. Hier ist abschließend keine eindeutige Antwort zu geben, aber es gibt gewisse Anhaltspunkte, die als Hilfestellung oder Leitlinien gelten. Im Zweifel sollten sich diejenigen, die eine Gesamtheit herstellen, an Fachleute wenden, um die Frage sicher zu beantworten.

Ein Anhaltspunkt ist z. B. die CE-Kennzeichnung einer neuen, in eine bestehende Gesamtheit integrierte Maschine. Ist diese als solche auch allein zu betreiben, so gibt es keinen Anlass für eine erneute CE-Kennzeichnung.

Handelt es sich bei der neuen, in die vorhandene Gesamtheit integrierten Maschine um eine unvollständige Maschine, so muss derjenige, der die unvollständige Maschine integriert und in Betrieb nimmt, die Konformität dieser Maschine mit den Anforderungen der Maschinenrichtlinie herstellen, eine Konformitätserklärung ausstellen und die Schnittstellen zur Gesamtheit betrachten. Die Gesamtheit an sich bedarf keiner neuen CE-Kennzeichnung.

Meist werden aber nur Teile der Gesamtheit gegen neue ersetzt oder es werden Gesamtheiten durch weitere Einheiten erweitert. Wird hierdurch die Sicherheit der restlichen Anlage nicht wesentlich beeinflusst, so kann die neue Gesamtheit als Maschine betrachtet werden. Sie unterliegt dann der Maschinenrichtlinie. In diesem Fall sind aber für diejenigen Teile, die nicht von der Änderung betroffen sind, keine weiteren Maßnahmen entsprechend der Bestimmungen der Maschinenrichtlinie erforderlich. Weiterhin ist der Arbeitgeber für die Sicherheit entsprechend der Richtlinie 2009/104/EG bzw. deren nationaler Umsetzung verantwortlich.

Maschinensicherheit

Schnittstellen

Maschinen werden oft als Standardprodukte von den Herstellern geliefert, bei welchen eine Verbindung nicht immer vorgesehen ist. Oft gibt es die Möglichkeit externe Einrichtungen zum Stillsetzen im Notfall anzuschließen, mehr ist nicht vorgesehen. Zur Herstellung einer Gesamtheit ist es aber unerlässlich, dass ggf. auch andere externe Sicherheitsbauteile wie Lichtgitter, Sicherheitslaserscanner o.ä. angeschlossen werden können. Umgekehrt müssen andere Maschinen auch sicherheitsgerichtet mit den Sicherheitsbauteilen verknüpft werden, die Bestandteil des Standardproduktes sind.

Bei Auslegung funktionaler Sicherheit ist das sog. Performance Level ausschlaggebend. Die entsprechende Sicherheitsfunktion muss demnach eine gewisse Güte oder Zuverlässigkeit, bezogen auf die zugrunde liegende Gefährdung, aufweisen. Hier ist es nicht zulässig, Standard-Signale von einer SPS zur anderen zu senden. Diese sind in der Regel nicht sicherheitsgerichtet, müssen es aber sein. Welche Signale als Standard-Signale und welche sicherheitsgerichtet ausgeführt werden müssen, wird durch eine entsprechende Risikobeurteilung ermittelt.

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Themen: Maschinenrichtlinie, wesentliche Veränderung

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