Der Fachblog für CE-Kennzeichnung

Zielgruppe unbekannt?

Erstellt von Lucia Gefken am 06.08.18 10:57

Kennen Sie Ihre Zielgruppe? Ja? Sehr gut. Verkaufen Sie Ihre Produkte ins Ausland? Ja? Dann sollten Sie sich Ihre Zielgruppe nochmal genauer anschauen. Denn häufig hat das Fachpersonal in anderen Ländern einen ganz anderen Wissensstand als in Deutschland. Das kann sich negativ auf die Sicherheit im Umgang mit Ihren Produkten auswirken.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Um eine Risikobeurteilung ordnungsgemäß zu erstellen, sollte man wissen, wer zu welcher Lebensphase welche Arbeiten durchführen wird. Aber warum? Ganz einfach: Ein ausgebildeter Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik (hier: Elektriker) kennt die Risiken im Umgang mit stromführenden Komponenten, erkennt entsprechende Gefahren und weiß, wie er diese vermeiden kann. Er ist aufgrund seiner Ausbildung in der Lage, elektrische Komponenten zu verbauen und zu reparieren. Ein „Otto-Normal-Verbraucher“ wird sich nicht allen Gefahren im Umgang mit den elektrischen Bauteilen bewusst sein und muss vor diesen wesentlich stärker gewarnt werden. Verschiedene Zielgruppen müssen also in unterschiedlicher Tiefe vor Gefahren geschützt und gewarnt werden.

Zielgruppe Maschinenrichlinie

Eine Zielgruppe für alle Lebensphasen

Häufig werden die Bediener als Zielgruppe benannt und während der Risikobeurteilung betrachtet. „Da kann nichts passieren. Unsere Bediener dürfen den Sicherheitsbereich nicht öffnen, das darf nur der Instandhalter“, ist eine beliebte Aussage der Hersteller. Und auf dieser Basis führen einige Hersteller auch die Risikobeurteilung durch. Der arme Instandhalter muss sich todesmutig in den Sicherheitsbereich begeben - wird doch von ihm verlangt, die Maschine zu warten. Ob er sich nun an rotierenden Teilen die Finger bricht oder sich am heißen Motor verbrennt, die möglichen Verletzungen werden von einigen Herstellern komplett ignoriert. Doch genau dieses Verhalten kann schnell zu Schadensersatzklagen mit hohen Folgekosten führen. Denn der Hersteller muss in der Risikobeurteilung alle Risiken für alle Lebensphasen und entsprechend für jedes Personal betrachten und möglichst vermeiden. Und damit sind auch die Risiken für Instandhalter, Monteure oder Kranführer während des Transports oder der Montage eingeschlossen. 

Konstruktion Maschine

Methoden zur Zielgruppendefinition

Um die Zielgruppen zu definieren und dokumentieren gibt es verschiedene Wege. Zwei bekannte Methoden sind die „Wer-macht-Was-Matrix“ und die „Persona-Methode“. Für die Wer-macht-Was-Matrix werden zum Beispiel die verschiedenen Lebensphasen wie Transport, Montage, Bedienung, usw. in die erste Spalte einer Tabelle eingetragen. In der Kopfzeile werden die einzelnen in Frage kommenden Personen eingetragen, die ggf. mit dem Produkt arbeiten werden, also Speditionsangestellte, Installateure, Bediener, usw. Anschließend wird geschaut, welches Personal zu welcher Lebensphase voraussichtlich mit dem Produkt arbeitet, diese Spalte wird dann markiert. Somit erhält man einen Überblick darüber, zu welchem Zeitpunkt wer am oder mit dem Produkt arbeitet. Ein Beispiel dafür sehen Sie unterstehend. 

Wer-macht-Was-Matrix

Für die Persona-Methode werden fiktive Personen für die jeweiligen Zielgruppen erfunden. Der Bediener ist zum Beispiel der Max Mustermann, 33 Jahre alt, abgeschlossene Lehre als Tischler, Familienvater, läuft und fotografiert in seiner Freizeit. Pro Zielgruppe werden drei bis vier Personen angelegt und die unterschiedlichsten Wissensstände abgeschätzt. Eine Kombination von beiden Methoden hilft dem Hersteller, seine unterschiedlichen Zielgruppen und deren Vorwissen zu definieren und genauer einzuschätzen.

Vorteile des erworbenen Wissens

Kennen Sie diese Anleitungen für große Industriemaschinen, wo Sätze wie „Kinder von Maschine fernhalten“ geschrieben stehen? Wenn Sie Ihre Zielgruppe definiert haben, werden Sie wissen: Ihre Zielgruppe arbeitet in einer Werkshalle. Dort haben Kinder schon alleine aus Betreibersicht nichts verloren. In einer Anleitung für ein professionelles Löschfahrzeug wird vor allgemeine Gefahren im Umgang mit Feuer und hoher Hitze gewarnt? Den ausgebildeten Feuerwehrleuten sind diese aufgrund der Ausbildung bekannt, eine Warnung kann sich der Hersteller hier sparen. Je besser Sie Ihre Zielgruppen kennen, desto sicherer können Sie Ihr Produkt auf die Bedürfnisse der Zielgruppe anpassen und punktgenau in der Anleitung warnen. Außerdem können Sie die Produktinformation maßgeschneidert an Ihre Zielgruppe anpassen und zum Beispiel eine gesonderte Montageanleitung für das Montagepersonal erstellen – denn diese Informationen benötigen die Bediener oder Instandhalter meist nicht. Belasten Sie Ihre Leser nicht mit unnötigem Wissen – der Kunde wird es danken.

Problemfall Ausland

In Deutschland sind viele Berufe durch einen festgelegten Ausbildungsweg definiert. Ein Elektriker in München wird die Kabel genauso sicher verdrahten können, wie sein Kollege in Bremen. Doch ein paar Grenzen weiter sieht es schon etwas anders aus. Wie verläuft die Ausbildung in Italien? Oder gar in Zentralafrika? Häufig ist das Ausbildungsniveau in anderen Ländern ein anderes. Ratsam ist es, wenn der Hersteller sich zum Beispiel mittels seines Vertriebs direkt im Zielland über die Zielgruppe informiert. Wer diese Möglichkeit nicht hat, sollte generell von einem niedrigeren Wissensstand ausgehen und im Zweifel ausführlicher beschreiben. Im Idealfall helfen aussagekräftige Zeichnungen dem Textverständnis, damit können auch sprachliche Barrieren schneller behoben werden.

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Themen: Risikobeurteilung, Technische Dokumentation

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